Alibaba-Börsengang wird zum Mega-Weltereignis

HK / Reuters - Am New Yorker Aktienmarkt wächst die Aufregung vor dem womöglich größten Börsengang aller Zeiten. Bereits im Vorfeld des Handelsdebüts am Freitag hatten sich Investoren um die Aktien des chinesischen Onlinehändlers Alibaba gerissen. Nach einer zweiwöchigen Werbetour des Managements um Firmenmitgründer und Konzernchef Jack Ma fieberte die internationale Finanzwelt am Donnerstag der Veröffentlichung des Ausgabepreises entgegen, die nach US-Börsenschluss erwartet wurde. Durch die Erstemission (IPO) könnten umgerechnet mehr als 17 Milliarden Euro eingesammelt werden.

Für die Anleger bedeutet der Kauf der Anteilsscheine eine Wette auf den weiteren Siegeszug der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Alibaba steht für vier Fünftel des rasant wachsenden Internethandels in China. 15 Jahre nach der Gründung in Mas Einzimmerwohnung wickelt das Unternehmen mittlerweile mehr Geschäfte ab als die beiden US-Rivalen Amazon und Ebay zusammen. Inzwischen tummelt sich Alibaba auch in Bereichen wie dem elektronischen Zahlungsverkehr und Finanzinvestitionen. Die komplexe Konzernstruktur sowie Mas Beteiligungen außerhalb des Unternehmens werfen allerdings auch Fragen auf: Wo liegen mögliche Interessenkonflikte? Und wie stark ist der Einfluss der Anleger auf die Strategie von Alibaba?

Wegen der starken Nachfrage hatte der Konzern die Angebotsspanne für seine Aktien zuletzt auf 66 bis 68 Dollar erhöht. Analyst Neil Doshi von CRT Capital ist allerdings der Auffassung, dass Alibaba damit noch nicht ausreichend bewertet ist. Das langfristige Wachstumspotenzial Alibabas sei deutlich höher, konstatierte Doshi in einer Studie für seine Kunden und empfahl diesen die Aktie zum Kauf. Bei einem Ausgabepreis am oberen Ende der Preisspanne hätte die Emission ein Volumen von fast 22 Milliarden Dollar. Sollten im Zuge einer Mehrzuteilungsoption weitere Papiere auf den Markt kommen, würde Alibaba den Rekord-Börsengang der Agricultural Bank of China übertreffen, der sich 2010 auf 22,1 Milliarden Dollar summierte.

Mit dem frischen Geld will Alibaba seine Expansion finanzieren. Der Zeitung "Economic Times" zufolge plant der Konzern eine Beteiligung am indischen Konkurrenten Snapdeal, an dem allerdings auch der Rivale Rakuten sowie das Telekomunternehmens SoftBank aus Japan interessiert seien. Das Hauptaugenmerk Alibabas dürfte aber dem Wachstum in den USA und Europa gelten. In den Vereinigten Staaten ist Alibaba noch kaum bekannt. 88 Prozent der Amerikaner haben noch nie etwas von dem Unternehmen gehört, wie eine Umfrage ergab.

Als einziges Research-Unternehmen in Deutschland hat Morningstar eine umfassende Studie zur Aktie von Alibaba erstellt. Nach Ansicht des Morningstar Aktien-Research ist der voraussichtliche Preis von 66 bis 68 Dollar zu niedrig. Eine faire Bewertung liegt bei gut 90 Dollar je American Deposit Share (ADS). Grundlage für diese Einschätzung sind eine jährliche Wachstumsrate von 32% und ein erwartetes Wachstum der operativen Marge von 47,5% auf 50,2% in den kommenden fünf Jahren. Zudem hat das Unternehmen deutliche Wettbewerbsvorteile in einem noch jungen e-Commerce Markt in China. Neue Marktteilnehmer und Wettbewerber dürften es dadurch schwer haben, dem Internetriesen Alibaba auf lange Sicht in China Konkurrenz zu machen.

Laut der Morningstar-Studie ist das Investment dennoch mit einigen Risiken behaftet. Die Expansionspläne in den internationalen e-Commerce Markt dürften durch die starke Konkurrenz etablierter Player erschwert werden. In den USA wird es Alibaba vermutlich nur auf einen Nischenplatz schaffen, da Amazon und Ebay mit ihren etablierten Käufer-Verkäufer-Netzwerken kaum zu verdrängen sein dürften. Unvorhersehbare neue Regelungen in China könnten die Nutzung des Bezahldienstes Alipay, über den knapp 80% der Alibaba-Zahlungsströme abgewickelt werden, deutlich erschweren. Die chinesische Regierung wirft immer häufiger ein Auge auf online und mobile Bezahlsysteme. Nach Ansicht von Morningstar ist die Alibaba-Aktie daher eher etwas für Risiko-tolerante Anleger, die insbesondere von der wachsenden Konsum-Mittelschicht und den Sektoren e-Commerce, Technologie und Logistik in China profitieren möchten.