Aktienanlage: Es sieht gut aus, weil Wirtschaft die Politik verdrängt

03.05.17

Die Rekordjagd wichtiger Aktienindizes (nicht zuletzt des BCDI!) kann als positives Zeichen gewertet werden. Die Chancen für weiter steigende Kurse sind größer als die Risiken nachhaltiger Kursrückschläge. Allerdings bleiben die marktbestimmenden Großanleger weiter vorsichtig und neigen zu kurzfristigem Rein und Raus. Deshalb empfehle ich bei allem Optimismus auch Privatanlegern, konsequent Positionen gegen stärkere Verluste abzusichern und Gewinne zumindest teilweise, also relativ kurzfristig mitzunehmen.



Beim Rückblick auf den bisherigen Jahresverlauf fällt einem vielleicht das Konrad Adenauer zugeschriebene Bonmot ein: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“ Denn ungewöhnlich oft musste der Beobachter Stimmungswechsel an den Börsen konstatieren. Zutreffend formulierte deshalb ein Stratege: „Der Monat April war an den Aktienmärkten durch einen ständigen Wechsel der Risikobereitschaft der Marktteilnehmer geprägt.“ Das kommt bis heute auch in den Sentiment-Erhebungen zum Ausdruck, die mal so, dann mal anders interpretiert werden können. Deshalb durften sich insbesondere die kurz- bis mittelfristigen Anleger nicht wundern, wenn ihnen immer wieder unterschiedliche Empfehlungen vorgesetzt wurden. Aktuell ist zumindest eines klar: Die unberechenbare Politik hat zumindest vorübergehend an Gewicht als Einflussfaktor für die Börsen verloren. Die fundamentalen Wirtschaftsdaten setzen sich momentan durch, weil sie sich besser als erwartet entwickeln – und das in den meisten Regionen der Welt.


Typisch der heutige Morgenkommentar der Deutschen Bank: Anders als in den Vorjahren kappen Analysten diesmal ihre optimistischen Prognosen für 2017 vom Jahresanfang nicht, sondern erhöhen sie sogar. Dieser Trend zeigt sich wegen der robusten Weltwirtschaft global, auch in der Eurozone winkt den Unternehmen mehr Umsatz und damit die Chance auf mehr Gewinn. Aktuell wird hier für 2017 ein Gewinnanstieg um 15,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet, beziehungsweise ein halbes Prozent mehr als noch vor einem Monat! Besonders hohe Zuwächse scheinen angesichts des schwachen Vorjahrs in Italien und Spanien möglich. Fazit des Chef-Anlagestrategen Ulrich Stephan, das ich unterstreichen möchte: „Ich bleibe dabei: Anleger dürften 2017 mit Aktien insgesamt mehr Freude haben als mit Anleihen.“


Das dürfte mitentscheidend von ausländischen Kapitalzuflüssen abhängen, denn für die Sentiment-Forscher ist klar, was auch ich beobachte: Die Dax-Rally wird von internationalen Investoren getrieben. Aktuell nutzen sie das im Vergleich zu den USA niedrigere Bewertungsniveau. Hinzu kommt, dass große internationale Investoren ihre Furcht vor politischen Rückschlägen erst einmal abgelegt haben.


In der aktuellen Stimmungsbeschreibung eines Sentiment-Experten konnte man im „Handelsblatt“ andererseits lesen, dass die Kaufbereitschaft unter deutschen Anlegern kaum vorhanden und die Investitionsquote ebenfalls gering sei. Damit steigt für heimische Investoren wieder einmal die Gefahr, eine Rally zu verpassen, sollte sich der Aufwärtstrend stabilisieren.


Fokussiert man die laufenden Konjunktur- und Unternehmensnachrichten, so ergibt sich global betrachtet noch kein ganz einheitliches, aber zunehmend positives Gesamtbild. Beispiel: Die Industrie in der Euro-Zone ist zum Start des Frühlingsquartals so kräftig gewachsen wie seit sechs Jahren nicht mehr. Die Betriebe sammelten im April mehr Aufträge ein, produzierten mehr und schufen mehr Jobs als im Vormonat, wie das Institut IHS Markit gestern zur monatlichen Umfrage unter 3000 Unternehmen mitteilte. Der Einkaufsmanagerindex stieg um 0,5 auf 56,7 Punkte und erreichte damit den höchsten Stand seit Mitte 2011. Das Barometer signalisierte mit mehr als 50 Zählern erneut Wachstum. Die Unternehmen profitieren momentan von einem niedrigen Euro-Kurs sowie der anziehenden Binnen- und Exportnachfrage. Zudem sorge die laxe Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit rekordtiefen Zinsen für Rückenwind. Auch in Deutschland legten die Betriebe kräftig zu. „Die deutsche Industrie ist mit Volldampf ins zweite Quartal 2017 gestartet", sagte Markit-Experte Trevor Balchin.


Dagegen hat die US-Industrie hat im April an Schwung verloren. Der Einkaufsmanagerindex fiel überraschend deutlich auf 54,8 von 57,2 Zählern im März, wie aus der am Montag veröffentlichten Firmenumfrage des Institute for Supply Management (ISM) hervorgeht. Damit notierte er auf dem niedrigsten Stand seit Dezember. Das Barometer signalisiert mit mehr als 50 Punkten Wachstum. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit 56,5 Zählern gerechnet. Auch die US-Bauausgaben fielen unerwartet schwach aus.


Noch einmal zu Konrad Adenauer. Denn wie nachlesen ist, fehlt dem berühmten Zitat ein Halbsatz, der meist unterschlagen wird: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden."


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!