Aktienmärkte: Der Trend ist wichtiger als kurzfristige Schwankungen

12.05.17

Geht die Dax-Rekordjagd weiter oder ist die Luft inzwischen zu dünn geworden? Ein tägliches Thema für die Medien. Dabei sorgen die schreibenden und sprechenden Börsenbeobachter für zunehmende „Stimmungs-Volatilität“, während die Kurse an der Wall Street wie hierzulande eine ungewöhnlich niedrige Vola aufweisen – unser VDax-New, das sogenannte „Angstbarometer“, ist im frühen Freitagshandel unter 13 gefallen, ein auch historisch gesehen niedriges Niveau! Die inzwischen unterschiedlich klingenden Analysen und Prognosen der Profis sind in meinen Augen ein Spiegel der verbreiteten Kurzfristigkeit – es wird vermehrt taktisch statt strategisch operiert, Tendenzen werden stärker beachtet als Trends.




In den vergangenen Tagen habe ich wieder einmal stundenlang die Medien sowie die Veröffentlichungen von Banken und Investmentfonds studiert, um deren Argumente gegenüber zu stellen. Ergebnis: Noch überwiegt – im Gegensatz zu den Signalen bekannter Sentiment-Indikatoren – Zuversicht für die Aktien-Performance im weiteren Jahresverlauf. Das aber meist mit Einschränkungen. Deshalb ist davon auszugehen, dass formulierte Meinung und aktives Handeln oft nicht übereinstimmen. Wie soll sich da ein Privatanleger orientieren?


Die folgende zusammenfassende Interpretation der aktuellen Marktlage möchte ich unterstreichen: Der Dax ist befreit von der politischen Last eines drohenden Rechtsrucks in Europa. Seit Jahresbeginn schaffte der Index der 30 größten börsennotierten Unternehmen ein Plus von 11 Prozent bis auf ein Niveau von 12.783 Punkten. In den vergangenen zwölf Monaten stieg der Dax sogar gut ein Viertel. Angesichts schwindender Sorgen um die Politik in Europa und einer erstarkenden Konjunktur haben zahlreiche Banken ihre Prognosen 2017 schon um rund 1.000 Punkte angehoben. Die größten Optimisten sehen den Leitindex am Jahresende bei 13.500 Zählern.


Dagegen hat sich die Stimmung der wöchentlich von der Börse Frankfurt befragten institutionellen Anleger zuletzt deutlich verschlechtert. Gegenüber der Vorwoche ist der entsprechende Sentiment-Index um satte 22 Punkte gefallen und zeigt nun einen Stand von -16 Punkte an – das ist der Zweitniedrigste, der bisher in diesem Jahr gemessen wurde. Diese Veränderung ins Negative fällt deswegen so deutlich aus, weil ehemals positiv gestimmte Akteure es nicht nur bei Gewinnmitnahmen belassen, sondern sich sogleich für die entgegengesetzte Position entschieden haben. Hinzu kommen auch vormals neutral gestimmte Marktteilnehmer, die sich auf die Seite der Bären geschlagen haben. Ihr Anteil an der gesamten Gruppe der „Überläufer" liegt bei circa 30 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung stellen die Stimmungsforscher bei
den Privatanlegern fest, deren Börse Frankfurt Sentiment-Index jedoch "nur" um 15 Punkte auf einen Stand von nunmehr -7 Punkte gefallen ist. Vor allem, weil sich in dieser Gruppe die Tendenz, gegen den Trend zu halten, nicht so stark wie bei den institutionellen Pendants durchgesetzt hat. Vielmehr hat sich in diesem Fall ein guter Teil der Marktteilnehmer mit Gewinnmitnahmen begnügt.


Die jüngste Erhebung vom Mittwoch zeigt erneut, wie bereits mehrfach in diesem Jahr, dass eine deutliche Aversion dagegen besteht, in der Nähe von Allzeithochs als Käufer aufzutreten. Zuletzt wurde dies schon einmal bei der Umfrage am 22. März erkennbar, als der Frankfurter Sentiment-Index der institutionellen Akteure bei -20 Punkten lag. Seinerzeit kamen die von der Mehrheit erhofften technischen Korrekturen des Dax nicht zustande; stattdessen ergab sich in der Folgewoche ein deutlicher Anstieg um 2,7 Prozent. Die Gefahr, dass sich dieses Szenario wiederholt, ist auch heute nicht unerheblich.


Und so darf man sich von Sentiment-Indikatoren nicht irritieren lassen: Für den Dax ist das Ergebnis der jüngsten Stimmungserhebung nicht als negativ zu werten. Denn die neuen Pessimisten werden im Falle eines Rücksetzers wahrscheinlich nicht zögern, ihre Gewinne in Form von Rückkäufen zu realisieren. So weit, so gut. Nur: Kann sich der Privatanleger wirklich daran halten?


Aus den zahlreichen Stellungnahmen von Anlagestrategen möchte ich die Auffassung von Thomas Grüner von Grüner Fisher Investments zustimmend herausgreifen. Er zitiert die Presse wie folgt: „Die Vorsicht der Analysten bei Aktien ist umso höher zu bewerten, als sie bei der Umfrage des vergangenen Jahres mit ihren Prognosen richtig lagen", so die Einschätzung des Handelsblatts zu Jahresbeginn. Nüchtern betrachtet ist allerdings nicht die „Vorsicht der Analysten" hoch zu bewerten, sondern vor allem Vorsicht bei der Interpretation der Prognosen selbst geboten – es handelt sich um schlichte Meinungen, die ebenso volatil sind wie die Märkte selbst [ … ] Eine Korrektur an den Aktienmärkten tritt plötzlich auf, hat selten fundamentale Gründe und wird von der Marktstimmung getrieben. Sie verschwindet ebenso plötzlich wieder, wie sie aufgetreten ist. Märkte folgen wieder ihrem übergeordneten Trend und schon nach kurzer Zeit geraten die Kurskapriolen in Vergessenheit.


Was bedeutet das? Die aktuellen Diskussionen verdeutlichen, dass sich viele Anleger nicht wirklich wohl in ihrer Haut fühlen. Sell in May, überdurchschnittliche KGVs, Höhenangst – auch nach der Frankreich-Wahl gehen die Themen nicht aus. Ein guter Ratschlag ist an dieser Stelle wie immer: Halten Sie sich an die Fakten, geschätzte Anleger, und lassen Sie sich nicht von volatilen Meinungen beirren. Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Expansionsphase und die relative Attraktivität der Aktienmärkte ist immer noch von historischem Ausmaß. The trend is your friend!


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!