Börse und Politik: Es wird gejammert, gemahnt und gewarnt

05.07.17

Die Stimmung unter den meisten Anlegern ist irgendwie gedrückt – negative Sentiment-Indikatoren verheißen aber meist das Gegenteil. Also geht’s bald wieder aufwärts? Ich meine: gut möglich. Andererseits können aber auch müde Sommermonate vor uns liegen, nicht allein aus saisonalen Gründen, nicht allein zum Atemholen nach dem unerwartet guten ersten Halbjahr für die Aktienmärkte. Denn es sieht so aus, als hätten auch die internationalen Konjunkturerwartungen so etwas wie Halbzeit: Ein Großteil der Volkswirte und Analysten bescheinigt der Weltwirtschaft anhaltend solides Wachstum, immer mehr Strategen beginnen aber zu zweifeln und warnen vor naivem Optimismus – nicht zuletzt angesichts der möglichen Belastungen durch politische Einflüsse.




Angesichts der bekannten Neigung der Deutschen zum Jammern auch in guten Zeiten kann es nicht überraschen, wenn hierzulande schon wieder gewarnt wird. So wird auf eine „fragile Weltökonomie“ verwiesen und die beunruhigenden Risiken. Heißt es in einem Agenturbericht, fast ironisch klingend: „Pünktlich vor dem G20-Gipfel der Top-Wirtschaftsmächte kommen auch von deutschen Unternehmen Warnsignale. Jede zweite global agierende Firma sieht in der Wirtschaftspolitik ein Risiko für die eigenen Geschäfte – laut DIHK so viele wie noch nie. Deutsche Unternehmen sind über die wachsende Zahl von Handelsbarrieren im internationalen Geschäft beunruhigt. Knapp ein Viertel der im Ausland tätigen Unternehmen sieht seine Geschäftstätigkeit wegen zunehmender Handelshemmnisse gefährdet, wie aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervorgeht.


Die Unsicherheit bei den international agierenden deutschen Unternehmen sei sehr groß, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Der Brexit, handelspolitische Aussagen der US-Regierung und der in vielen Regionen der Welt zunehmende Protektionismus seien die Hauptursachen. Auch die Schuldenlast vieler Länder bereite den Unternehmen Sorgen. Von ausbleibenden Investitionen sei vor allem die deutsche Wirtschaft betroffen. „Diese Warnsignale sollten nicht überhört werden", mahnte Treier.


Dazu passt eine Meldung aus der Kfz-Industrie: Deutschlands Autobauer leiden laut Branchenverband VDA unter dem Brexit-Votum der Briten. Zudem müssten die Konzerne auf ihrem wichtigsten Markt China ein schwächeres Wachstum einkalkulieren. Auch der Absatz hierzulande schwächelt zuletzt.


Zwei besonders brisante Brennpunkte, die auch ganz allgemein die Börsenstimmung beeinflussen können, sind Nordkorea und der Nahe Osten. Sollten die Spannungen
zwischen Saudi-Arabien und Katar eskalieren, könnte die Krise am Golf auch die deutsche Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen.


Andere Aspekte, die Anleger ins Kalkül ziehen sollten, sind Nachhaltigkeit und Umweltschutz. So haben Unternehmen und Wirtschaftsverbände aus den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) haben die Staaten der Gruppe aufgefordert, ihre Unstimmigkeiten vor allem in der der Klima- und Handelspolitik beizulegen. Kaum eine Zeit zuvor hat so sehr nach internationaler Kooperation und globaler Führung verlangt wie 2017, ist in einer gemeinsamen Erklärung zu lesen. Die Globalisierung könne Vorteile für alle bieten. „In unserer vernetzten Welt ist internationale Kooperation der Schlüssel, um diese Vorteile heben, aber auch, um Herausforderungen bewältigen zu können", heißt es. Protektionismus hemme das Wachstum. „Wir fordern die G20 daher auf, beim Gipfel in Hamburg entschieden zu handeln und die Differenzen zu überwinden, die die G20 in den vergangenen Monaten durchgeschüttelt haben", forderten die Wirtschaftsführer.


Mein Eindruck: Wir neigen wieder einmal zum Pessimismus. Differenzierter sehen die jüngsten Sentiment-Indikatoren aus. Das Analysehaus Sentix sieht ein Ende des jüngsten Kursrutsches am deutschen Aktienmarkt. Die Stimmung gegenüber hiesigen Aktien hat zwar in der vergangenen Woche einen gehörigen Dämpfer erlitten und ist auf das niedrigste Niveau seit Februar 2016 gefallen, heißt es in einer neuen Studie. Aus Sicht der verhaltensorientierten Finanztheorie sei diese Skepsis jedoch eher günstig für die weiteren Perspektiven an der Börse. Dahinter steckt die Überlegung, dass sich ein zu hoher Pessimismus der Anleger oft als übertrieben erweist.


Eindeutig und klar setzen die Strategen von Axa Investment Managers weiter auf Aktien: Obwohl die Aktienmärkte mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 22 leicht überteuert sind, rechtfertigen anhaltend positive Gewinnaussichten und das steigende Volumenwachstum eine Übergewichtung von Aktien, heißt es in einer vorhin vorgelegten Studie. Auch das Zinsumfeld biete noch keinen Anlass zu einer Neueinschätzung der Aussichten für den Aktienmarkt. Die Gefahr einer Korrektur habe aber dennoch zugenommen. Das unterstreiche ich, geschätzte Anleger, sehe aber in den geopolitischen Bedrohungen durchaus ein ernst zu nehmendes Risiko!


Machen Sie also weiter mit und bleiben Sie wachsam – und machen Sie’s gut!