Aktienperspektiven: Bullen und Bären stehen sich respektvoll gegenüber

16.08.17

Gilt das noch? Kürzlich formulierte ich nachdenklich: „Das Fundament scheint auf einmal zu wackeln, weil Analysten anhaltendes Wirtschaftswachstum und steigende Unternehmensgewinne in Frage stellen.“ Plötzlich klingen die meisten Analysen schon wieder anders, optimistischer, und der Aktienmarkt präsentiert sich in einer erstaunlich guten Kondition. Aber das sind ganz kurzfristige Beobachtungen. Die Vorzeichen können immer wieder ändern. Derzeit dominiert kein Lager. Bullen und Bären agieren nach wie vor zurückhaltend vorsichtig. Man respektiert die Argumente der anderen.




Nimmt man die diversen Wirtschaftsdaten und -prognosen, dann können Aktionäre gelassen bleiben. Allerdings setzt das voraus, die geopolitischen Gefahren auszublenden. Die Sentiment-Indikatoren sprechen noch eine andere Sprache:
„Das Säbelrasseln der beiden verhaltensauffälligen Präsidenten Donald Trump und Kim Jong Un hat die Stimmung an den Märkten massiv getrübt“, schreiben die Analysten von Sentix. Das Sentix Sentiment fällt an wichtigen Märkten auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Contrarians horchen auf, denn eine so schlechte Stimmung verspricht eine positive Kursentwicklung für den Aktienmarkt. Gemeint ist damit die Taktik, gegen den Strom schwimmen, immer das Entgegengesetzte tun, also antizyklisch zu handeln. Die Idee dahinter: Wenn alle dasselbe tun, ist die Wende nahe. Kaufen alle zu steigenden Kursen, gehen dem Markt irgendwann die Käufer aus. Verkaufen alle zu fallenden Kursen, wird es irgendwann keine Abgabebereitschaft mehr geben.


Im Gegensatz zu dem auch von anderen Beobachtern ermittelten Sentiment äußert sich die Mehrheit der volkswirtschaftlichen Vordenker wieder optimistisch. Dazu passt: Die deutsche Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs. Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 0,6 Prozent zum Vorquartal. Im ersten Vierteljahr waren es nach neuen Zahlen sogar 0,7 Prozent gewesen. Bankvolkswirte kommentieren die Zahlen freundlich, weisen aber auch auf Risiken hin.


Am meisten beeindruckt hat mich die klare Linie, die der Investmentgigant Goldman Sachs Asset Management (GSAM) vertritt: Nach sechs Monaten mit starken Aktienrenditen und angesichts der Bedenken hinsichtlich einer Zyklusverlängerung und hohen Bewertungen, erscheint es verlockend, die Portfoliorisiken in Vorbereitung eines Abschwungs zu mindern. Unserer Einschätzung nach ist es jedoch viel zu früh, Risiken bei renditeorientierten Portfolios zu senken. Auf Basis umfassender Konjunktur- und Marktvariablen sind wir überzeugt, dass diese Daten einer Aufschwungphase entsprechen, die noch weitere zwei Jahre andauern könnte. Ein Umschwung in naher Zukunft ist nicht in Sicht. Beachten Sie die Betonungen, geschätzte Leser („… viel zu früh …“). Zu früh für einen Ausstieg aus Aktien, denn der Aufschwung hält an. Das klingt plausibel.


Deshalb bleibt GSAM auch einer klaren Aussage: „Als mittelfristiges Investment bleiben Aktien unsere bevorzugte Anlageklasse. Nach dem Anstieg in diesem Jahr erwarten wir moderat positive Renditen bedingt durch das fortlaufende Wachstum und Gewinne. Wir sehen erhebliches Potenzial in Europa, wo die Gewinne weiterhin 40 Prozent unter ihrem Höchststand von vor der Finanzkrise liegen. Ebenso positiv sind wir für die Schwellenländer gestimmt.“

Entscheiden Sie selbst, liebe Leser, ob Sie jetzt schon Ihre Aktienbestände weiter aufbauen oder ob Sie eine ausgeprägte Schwächephase – die es trotz aller Ankündigen der Profis bislang ja nicht gegeben hat – abwarten wollen.


Machen Sie auf jeden Fall weiter mit und bleiben Sie wachsam – und machen Sie’s gut!