Aktienmarkt: Was die Schaukelbörsen für Anleger bedeuten

07.04.18

Stirbt der Bullenmarkt vielleicht an Altersschwäche? Ob man zu den Ängstlichen gehört oder weiter gelassen bleibt – die ungewohnt kräftigen Kursausschläge der vergangenen Tage kommen nicht von ungefähr. Vergleiche mit früheren Zyklen zeigen aber, dass nicht das Alter entscheidet: „Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche“, resümieren die Strategen von Allianz Global Investors in ihrer aktuellen Analyse. Vielmehr zu beachten sind Zinsentwicklung und Konjunktur – und jetzt natürlich die wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Denn nationaler Protektionismus und internationaler Handelskrieg wären fatal für Wirtschaft und Börse.




Wichtig: Ausgeprägte Baisse-Angst – das Wort wird mitunter leichtfertig verwandt – gibt es unter den Börsianern (noch) nicht, allenfalls bei einer Minderheit. Allerdings ist die Unsicherheit seit Jahresbeginn spürbar gestiegen, führt zu ständig wechselnden Stimmungen der Anleger und schaukelnden Kursen. Man handelt lieber kurzfristig. Der Sentiment-Report von der Börse Frankfurt belegt dies.


Zu Beginn des neuen Quartals ist der Optimismus der mittwöchlich befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren zurückgekehrt. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index springt um 19 Punkte auf einen Stand von +20 Punkte. Dabei haben sich vor allen Dingen bärisch eingestellte Akteure von ihren Absicherungen getrennt – das Bärenlager hat sich um fast 30 Prozent reduziert, wobei sich fast drei Viertel der Wechselwilligen direkt auf die Bullen-Seite begeben haben. Neben den bekannten Argumenten könnten für diese Neuorientierung allerdings auch rein kurstechnische Gründe eine Rolle gespielt haben.


Im Vergleich dazu wirkt das Stimmungsbild der Privatanleger auf den ersten Blick etwas verblüffend. Denn deren Börse Frankfurt Sentiment-Index ist im Gegensatz zu den institutionellen Pendants um 14 Punkte gefallen und liegt nun bei 0 Punkten. Wenn man allerdings die Vorgeschichte dieser Entwicklung kennt, wird der entgegengesetzte Stimmungsumschwung verständlich. Denn in der Befragung der Vorwoche hatten sich private Investoren (im Gegensatz zu den Institutionellen) wieder einmal als Käufer in die Schwäche betätigt. Erwartungsgemäß hielten diese dem Dax nicht allzu lange die Treue. Und wer vor Ostern seine Engagements zu den Höchstkursen am Gründonnerstag glattstellte, konnte sich über einen Gewinn von 2,6 Prozent freuen. Mittlerweile mag sich das Stimmungsbild in Frankfurt für den Dax wieder verändert haben – wie sehen das erst kommende Woche.


Angst, Unsicherheit, Sorgen? Allianz Global Investors betrachtet dazu die Bullenmärkte seit Anfang der 1970er Jahre bis heute. Bezogen auf die Performance war nur die vom Sommer 1982 bis Dezember 1989 an den Aktienmärkten zu messende Aufwärtsbewegung stärker als derzeit (es kam im Durchschnitt zu mehr als einer Verfünffachung der Kurse). Diese Phase war auch nur leicht kürzer als die mittlerweile in den 105. Monat kommende Erholungsphase nach Ausbruch der US-amerikanischen Hauspreiskrise. Und nur die im Jahr 2000 platzende Technologie-Medien-Telekommunikationsblase war länger. Sie erstreckte sich über gut 116 Monate. Die drei anderen Aufschwungsphasen (Anfang der 1970er; während der zweiten Hälfte der 1970er; Ende 2002 bis Herbst 2007) waren zeitlich kürzer.


Da ist es schon verständlich, wenn die Märkte unruhig werden, schreiben die Investmentstrategen. Anlässe boten u. a. das Einpreisen eines Reflationierungsszenarios, in dessen Folge eine verschärfte Gangart zumindest der US-Zentralbank befürchtet wird. Dazu immer wieder die Sorge, die globale Konjunktur könnte ihren Scheitelpunkt überwunden haben, wozu die Lage der US-Renditestrukturkurve als Präjudiz herangezogen wird. Tatsächlich war eine inverse Renditestrukturkurve (kurze Zinsen höher als lange) in der Vergangenheit ein verlässlicher Frühindikator für US-Rezessionen. Aber Bullenmärkte sterben eben nicht an Altersschwäche, sondern an einem Ende des Konjunkturaufschwungs oder durch eine zu restriktiv werdende bzw. überraschend straffe Geldpolitik.


Wie immer man die jüngsten Stimmungs- und Kursschwankungen interpretieren mag – ich ziehe zunächst einmal folgende Schlüsse:

· Die marktbestimmenden Großanleger sind zunehmend unsicher und verhalten sich deshalb oft wie Trader (kurzfristig rein und raus).
· Es gibt aber keine Flucht aus der Aktie, etwa hinein in das Gold als Krisenmetall.
· Dass auf Schwächeanfälle ausgeprägte Kurserholungen folgen, ist ein Zeichen für fehlende Anlagealternativen zur Aktie.
· Der Aktienmarkt reagiert deutlich auf unerwartete Nachrichten (nach beiden Seiten) und differenziert in der Kursentwicklung nach Branchen und Einzelunternehmen – ein grundsätzlich positives Signal.


Mehr als eine Korrektur, die keine Überraschung sein konnte, hat es bisher nicht gegeben. Es fehlt nachhaltiger Druck auf die Kurse nach unten (etwa nach dem Motto „Die Baisse nährt die Baisse“). Dennoch macht es Sinn, über vorsichtige Taktiken, wie in den zurückliegenden Wochen bereits beschrieben, nachzudenken – Gewinne teilweise realisieren, mit neuen Engagements abwarten und Liquidität erhöhen oder sich als Trader zu versuchen.


Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!